#22 - Rennbericht: Halbmarathon in Linz


Erstaunlicherweise habe ich tatsächlich in der letzten Woche schon einige Anfragen bekommen, wo denn mein Rennbericht vom Halbmarathon in Linz bleibt. Und ja, ich geb es zu, ich hab absichtlich erst mal ein paar Tage vergehen lassen - ganz abgesehen davon, dass ich auch gerade meine erste Arbeitswoche im neuen Job hinter mir habe und mich erst wieder an den neuen Rhythmus (Arbeit/FH/Freizeit) gewöhnen muss. Aber: Hier ist er nun - der "langersehnte" (oder auch nicht) Rennbericht von einem nicht ganz alltäglichen Halbmarathon, den ich in der Form so schnell nicht wiederholen möchte. Trotzdem möchte ich auch diese Erfahrung teilen, in der Hoffnung, dass zumindest andere von meiner Erfahrung profitieren und somit von diesem "Schicksal" verschont bleiben :-).


Erfolgreiche vorbereitung

Die letzten Wochen und Monate sind trainingstechnisch echt gut gelaufen. Der Hauptgrund dafür war sicherlich, dass ich bis zum Ende absolut schmerz- und verletzungsfrei war und dementsprechend mit gutem Gefühl trainieren konnte. Alle drei Wettkämpfe im Vorfeld (5km, 15km & 10km) waren echt cool - und meine Pokalsammlung ist um ganze drei Trophäen reicher geworden - ich durfte also bei jedem Wettkampf auf dem (Altersklassen-)Stockerl stehen. Top-motiviert ging es deshalb dann auch in den "Vorbereitungs-Endspurt" in Richtung Halbmarathon in Linz ... Die letzten Tage vor dem Bewerb sind dann immer ein bisschen schwierig, weil man einerseits wahnsinnig motiviert ist, andererseits aber fast nichts mehr trainieren soll, um dann beim Rennen auch wirklich topfit zu sein.  Natürlich war ich auch ein bisschen nervös - so ein Halbmarathon ist jedes Mal eine kleine Herausforderung für mich - schließlich bereitet man sich doch intensiver vor, als auf kürzere Bewerbe, und ich hatte mir nach Verona im Herbst natürlich das Ziel gesetzt, meine Zeit wieder ein bisschen zu verbessern ...


Early birds am weg nach linz

Am Renntag mussten wir ziemlich früh aufstehen und stiegen schon um kurz nach 6:00 Uhr ins Auto, weil Mustafe - ein Vereinskollege von mir - beim 10km Bewerb (und somit schon eine Stunde früher als wir) startete. Das Praktische an solchen Uhrzeiten ist aber auch, dass man zuerst noch zu müde ist, um überhaupt nervös zu sein ;-). In Linz angekommen, hatten wir dann aber ausreichend Zeit, um uns umzuziehen und aufzuwärmen, bevor wir uns - bei bereits spürbar warmen Temperaturen -  an den Start stellten.

Ich muss übrigens auch nach dem zweiten Start in Linz sagen, dass der (Halb-)Marathon dort definitiv ein wirklich cooler Bewerb ist - allein schon deshalb, weil der Start einfach mal auf der Voest-Autobahn ist :-).

 

Tja, und dann ging's auch schon los - und ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, wie das Ganze enden würde.

 


Es Läuft ... oder auch nicht ...

Nachdem ich die ersten zwei Kilometer wie immer etwas flott angelaufen bin, fand ich dann relativ bald "mein Tempo" und versuchte, einfach den Kopf auszuschalten und drauf los zu laufen. Diesmal war es allerdings wirklich leichter gesagt, als getan - denn irgendwie schien es einfach nicht zu passen und ich überlegte tatsächlich schon vor der Streckenhälfte, auszusteigen. Grundsätzlich ist mir ein solches "Tief" während dem Halbmarathon durchaus bekannt - das habe ich eigentlich fast immer, und das ist auch der Grund, warum ich mich auf kürzeren Strecken und vor allem bei Triathlons einfach wohler fühle - aber so früh hatte ich nicht damit gerechnet. Die nächsten Kilometer verbrachte ich dann damit, mich über mich selbst zu ärgern, da ich einfach das Gefühl hatte, mental total mies drauf zu sein und innerlich nur herumzujammern, anstatt das Rennen zu genießen. Anstrengend und (für die Jahreszeit) warm war es schließlich für alle anderen auch!

 

Trotzdem ging es irgendwie immer weiter - und auch das Tempo konnte ich eigentlich super halten, bzw. war ich sogar deutlich schneller, als ich es mir vorgenommen hatte - einer richtig guten Zeit stand also eigentlich nichts im Wege. Und trotzdem: Immer wieder versuchte ich vergeblich, mich neu zu motivieren, dachte an alle, die mich in den letzten Wochen im Training begleitet hatten und von denen ich wusste, dass sie mir die Daumen hielten und gespannt auf meinen Zieleinlauf warteten. Was ich irgendwie ziemlich vernachlässigt hatte, war das Trinken an den Labestationen - auch deshalb, weil ich die Massenpanik, die vor jedem Stand regelrecht ausbrach, überhaupt nicht mag und kein Fan von Drängeleien mit verschwitzten Läuferkollegen bin. Trotzdem gehört das Trinken aber natürlich vor allem bei so warmen Temperaturen einfach genauso dazu, wie einen Schritt vor den anderen zu setzen - und ich hatte es viel zu lang unterlassen. Und genau das sollte ich auch wenig später bereuen ...


DAS ENDE NAHT ...

Dass ich bei Kilometer 15 zwar dann doch ein paar Schlucke getrunken habe, half aber zu diesem Zeitpunkt dann auch nicht mehr so richtig. Mental war ich ohnehin schon komplett am Ende - Sorgen machte mir aber mittlerweile vor allem auch die Gänsehaut, die ich am ganzen Körper hatte und die schon beim Linztriathlon im Vorjahr nichts Gutes vorausgesagt hatte. Verzweifelt versuchte ich aber trotzdem, halbwegs fokussiert zu bleiben (was ja ohnehin bislang auch nicht geklappt hatte) und einfach weiterzulaufen. Bei Kilometer 17 musste ich dann doch das Tempo etwas verringern, war aber nach wie vor in Richtung <1:46 unterwegs. Bei Kilometer 19 übergoss ich mich dann komplett mit Wasser - in der Hoffnung, es nach dieser Abkühlung einfach noch halbwegs fit ins Ziel zu schaffen. Und weiter ging's, in Richtung Finish Line ...


Ein uuunendlich langer weg

Die letzten zwei Kilometer kamen mir einfach nur endlos lange vor. Tatsächlich erinnere ich mich gar nicht mehr an die komplette Strecke - geschweige denn an den Zieleinlauf selbst. - Da ist einfach nur eine riesige Erinnerungslücke. Ich weiß nur noch, dass ich immer wieder geglaubt habe, das Ziel zu sehen - und dann aber feststellen musste, dass es doch noch nicht da war. Ich kann mich auch noch erinnern, dass ich auf dem Kopfsteinpflaster mehr gestolpert, als gelaufen bin, dass ich falsch (nämlich in Richtung Marathonstrecke) abgebogen bin und mich die Zuschauer darauf aufmerksam gemacht haben. Wie im Rausch bin ich einfach nur mehr gerannt - immer mit dem Gedanken, es irgendwie ins Ziel schaffen zu müssen. Danach bricht die Erinnerung dann ab, ich weiß noch, dass ich auf einen Rollstuhl gehoben wurde - und man mir gesagt hat, ich müsse die Beine anheben, damit man mich schieben könne. 


Einfach nur schräg.

Als ich dann wieder aufgewacht bin, lag ich in einer Riesenhalle auf einem Feldbett. Auch, wenn ich irgendwie noch total benebelt war, stellte ich doch verhältnismäßig schnell fest, dass ich die Rettungssanitäterin, die neben  mir stand, kannte - meine ehemalige Studienkollegin Steffi,  die inzwischen ehrenamtlich als Sanitäterin beim Roten Kreuz arbeitet, hatte mich bei meiner "Einlieferung" auch gleich erkannt und ist - dankenswerterweise - die ganze Zeit bei mir geblieben und hat sich echt super um mich gekümmert. Anfangs war ich einfach nur müde, konnte nicht wirklich sprechen und heulte eigentlich die meiste Zeit ... eine komplette Ausnahmesituation, die ich wirklich noch nie erlebt habe. Aber wenn du aufwachst, nicht weißt, wie du da hingekommen bist, wo du bist, dir so ziemlich alles wehtut und du nicht mal mehr die Hausnummer von deiner Wohnadresse weißt, ist das wirklich alles andere als lustig. Es hat irgendwie auch relativ lange gedauert, bis sich alles wieder stabilisierte und es mir endlich etwas besser ging - ich weiß gar nicht, wieviele Infusionen ich bekommen habe, aber ich glaub, es waren schon einige. Mehr Sorgen als mein eigener Zustand machte mir vor allem auch die Tatsache, dass meine Mama scheinbar noch nicht wusste, was passiert war - und sich garantiert wahnsinnig Sorgen machte. Völlig verzweifelt versuchte ich, jedem verfügbaren Sanitäter und Arzt (ein Wunder, dass Steffi mit mir nicht verzweifelt ist) zu erklären, dass sie irgendeinen Weg finden mussten, sie zu erreichen und über meinen Aufenthaltsort zu informieren. Da sie selbst auch gelaufen war, hatte sie natürlich das Handy in der doch etwas entfernten Umkleide.

Happy End

Nach einer gefühlten Ewigkeit ging's dann endlich deutlich bergauf und ich konnte endlich auch den Kopf wieder selbst anheben, ohne dass mir schwindlig oder schlecht wurde. Zur weiteren Verbesserung meines Zustandes trug dann vor allem auch bei, dass meine Mama irgendwann doch in die Umkleide gegangen war und am Handy die Nachricht die ihr Steffi geschickt hatte, gelesen hat. Ich war dann doch ziemlich erleichtert, als sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich in der Ambulanz auftauchte. Fast genauso froh war ich, als ich auch endlich erfuhr, dass ich es noch ins Ziel geschafft hatte - der Gedanke, dass der ganze Kampf umsonst gewesen sein könnte, hatte mich zuvor nämlich schon ganz schön fertig gemacht ;-).

 

Nach insgesamt rund zwei Stunden im Ambulanz-Zentrum war es dann soweit - ich konnte mich endlich aufsetzen und nach einer halben Banane auch den Weg nach Hause antreten. Die Nacht habe ich dann unter elterlicher Aufsicht in meinem früheren Kinderzimmer verbracht und durfte glücklicherweise auch meinen Arbeitsbeginn bei Sportalpen auf Mittag verschieben, sodass ich ausschlafen und mich noch ein bisschen erholen konnte. 


Fazit

Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass ich wirklich einen peinlichen Anfängerfehler gemacht habe - an einem so warmen Tag so wenig zu trinken, ist einfach nur dämlich ... und ich bin ganz sicher nicht stolz darauf. Dass man auch dann noch weiterläuft, wenn es einem schon absolut nicht mehr gut geht, macht absolut keinen Sinn und ist das Risiko sicherlich nicht wert. Vermutlich/Hoffentlich gibt es aber doch einige Leute in meinem Umfeld, die es zumindest ein bisschen nachvollziehen können, dass man, wenn man sich rund 19km lang durchgekämpft hat, auch nicht widerstandslos zwei Kilometer vor dem Ziel aufgibt und stehen bleibt. 

 

Letztendlich bin ich einfach nur erleichtert, dass das Ganze dann doch noch gut ausgegangen ist - somit bin ich auf jeden Fall um eine Riesen-Erfahrung reicher und kann nur jedem raten, vor allem bei wärmeren Temperaturen von Anfang an bei den Versorgungsständen zu trinken und eine Kappe aufzusetzen. 

 

Was ich jetzt auch weiß, ist, dass ich mental vielleicht doch nicht ganz so schwach bin, wie ich immer von mir geglaubt hab - denn diesmal hat mich wirklich nur mein Kopf ins Ziel gebracht. Dass es dann trotz allem mit einer Zeit von 1:46:41 für eine neue Bestzeit gereicht hat, freut mich aber natürlich trotzdem - beim nächsten Mal nehme ich dann definitiv die <1:45:00 in Angriff ... allerdings mit Kappe & genügend Flüssigkeit :-).

 

Abschließend möcht' ich mich einfach nochmal bei meinem Umfeld, vor allem aber auch beim Roten Kreuz in Linz bedanken - die Sanitäter und Ärzte waren einfach großartig, ganz besonders natürlich die Steffi: Dass du die ganze Zeit da warst, war echt ein Wahnsinn, ich war einfach so froh, nicht allein zu sein!


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